Leichtbau und NVH-Optimierung im Fahrzeugbau
Darmstadt, 23. Oktober 2019
Im Projekt LeichtFahr wurden über drei Jahre von einem Konsortium aus Industrie, Wirtschaft und Forschung passive, adaptive und aktive Maßnahmen für den schwingungsoptimierten Leichtbau und deren Simulationsmöglichkeiten untersucht. Die Ergebnisse dieses, durch das BMWi geförderten Projekts werden im Symposium Leichtbau und NVH-Optimierung im Fahrzeugbau vorgestellt.
Seminar
- Neue Herausforderungen im Fahrzeugbau
- Digitalisierung im Entwicklungsprozess
- Aktive Komponenten in der Fahrzeugstruktur
Workshop
- Methoden und Techniken für die Modellierung
- Simulation und numerische Optimierung vibroakustischer Effekte
- Berücksichtigung des Gesamtfahrzeugs
Vorträge und Autoren
Keynote: Simulation im Fahrzeug-Entwicklungsprozess
Dr. Karsten Finger, Daimler AG Download (.pdf)
Der typische Fahrzeug-Entwicklungsprozess beginnt mit der Konzept- und Architekturphase. Das gesamte Fahrzeug wird als sogenannter ‚Digitaler Prototyp‘ (DPT) in der digitalen Entwicklungsphase abgebildet, sowie ggfs. Maßnahmen definiert. In der folgenden Hardware-Phase werden erste Hardware-Prototypen erstellt, die auf Basis der digitalen Abstimmung definiert wurden.
Zur Verkürzung der Entwicklungszeit und damit auch der Kosten ist eine Reduktion der Anzahl der Prototypen und verkürzte Hardwareerprobung nötig. Hierzu ist eine aussagekräftige Simulation mit einem hohen Reifegrad in der digitalen Phase notwendig.
Gesamtsystemsimulation im digitalen Entwicklungsprozess
Dipl.-Ing. Heiko Atzrodt, Fraunhofer LBF Download (.pdf)
Adaptive und aktive Maßnahmen zur Schwingungsbeeinflussung können zur Auflösung von Zielkonflikten zwischen Komfort, Lebensdauer, Leistung und Leichtbau in Fahrzeugen beitragen. Sie sind gleichzeitig mit besonderen Herausforderungen im Entwicklungsprozess verbunden, da Wechselwirkungen zwischen zahlreichen mechanischen, elektrischen, elektronischen, reglungstechnischen und anderen Subsystemen das Gesamtsystemverhalten beschreiben.
Durch einen modularen, hierarchischen Modellierungsansatz kann das Gesamtsystemverhalten bereits in frühen Entwicklungsphasen beurteilt und verschiedene Lösungsansätze verglichen und die Entscheidungsfindung unterstützt werden. Dadurch können eine bessere Qualität des Endprodukts erreicht und Risiken besonders in den späten Entwicklungsphasen gemindert werden.
Modellbasierte Entwicklung mechatronischer Systeme – Möglichkeiten und Anwendungsbeispiele
Dr. Michael Hoffmann, Altair Engineering GmbH
Elektrifizierung zukünftiger Fahrzeuge und ständig komplexere Fahrzeugregelsysteme (ADAS) erfordern einen modellbasierten Entwicklungsansatz, d.h. von der Konzeptphase bis zur Erprobung werden multidisziplinäre Simulationsmodelle zur Entwurfsabsicherung und Optimierung eingesetzt.
Altair bietet hierzu eine offene, multidisziplinäre Simulationsumgebung an, die verschiedene Lösungsansätze, von Gleichungen, über Blockdiagrammen, bis zu 3D-Modellierungen unterstützt.
Verschiedene Fragestellungen in der Entwicklung von elektrischen Fahrzeugen, wie E-Motoroptimierung, Fahrzyklenberechnung und thermische Optimierungen werden beispielhaft dargestellt.
Der digitale Entwicklungsprozess aus Sicht eines Automobil-zulieferers
Dipl.-Ing. Uwe Steinkamp, BOGE Rubber & Plastics Download (.pdf)
Entwicklungen finden heute nicht mehr im engen Bereich einzelner Teams oder Unternehmen statt, sondern leben von der Interaktion zwischen Teams in einem Netzwerk verschiedener Betriebe.
Der digitale Zwilling, welcher die wesentlichen Merkmale eines realen Produktes abbildet, bietet hierbei eine gute Arbeitsgrundlage, da durch das direkte Feedback von allen Stakeholdern Anwenderwünsche rechtzeitig geklärt werden und Enttäuschungen zum Projektende vermieden werden. Ein virtueller Prototyp kann mit wenigen Tastendrücken abgeändert und somit eine Vielzahl von Varianten testen, ohne dass ein neuer Prototyp gebaut werden muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Zulieferer von Anfang an in den Prozess eingebunden werden. Hierdurch werden Entwicklungszeiten und Einführungszeiten der Produkte gesenkt und die Ergebnisqualität und auch die Gesamtflexibilität gesteigert.
Applikation, Erprobung und Bewertung aktiver Komponenten im Fahrversuch
M.Sc.-Ing. Nithin Sreeprakash, ZF Friedrichshafen AG Download (.pdf)
Im Rahmen des Forschungsvorhabens LeichtFahr wurde ein Gesamtfahrzeug als Demonstrationsobjekt gewählt, um die Simulation auch an einer komplexen Struktur mit mehreren Moden und unterschiedlichen Dämpfungen zu validieren.
Das Demofahrzeug ist im Ausgangszustand mit passiven hydraulischen Motorlagern und einer Stahl- Getriebebrücke ausgestattet. Um das akustische Verhalten des Fahrzeugs zu optimieren, werden die passiven Motorlager durch aktive Motorlager ersetzt. Um die bestmögliche Performance der aktiven Motorlager zu generieren, wird zusätzlich zur Integration im Fahrzeug eine Anpassung der Software an das neue System erforderlich. Die variablen Parameter der Software werden innerhalb eines Prozesses an das Fahrzeug angepasst sowie mit Hilfe von Fahrversuchen validiert, um die volle Leistung und Stabilität der aktiven Motorlager zu sichern. Als Leichtbaukomponente wird die Stahl-Getriebebrücke durch eine Getriebebrücke in Hybrid-Bauweise (Kunststoff-Stahl) substituiert. Mit dem Fahrzeug werden umfangreiche Messungen in Fahrversuchen und auf einem Rollenprüfstand sowie Transferpfad-Messungen durchgeführt, um das NVH Verhalten zu charakterisieren.
Vibroakustische Charakterisierung von Fahrzeugen für NVH-Simulationsumgebungen
M.Sc. Patrick Hüskens, Institut für Kraftfahrzeuge Aachen Download (.pdf)
Im Rahmen des Forschungsvorhabens LeichtFahr wurde ein ganzheitliches Simulationswerkzeug entwickelt, das die Auslegung und Optimierung adaptronischer und passiver Systeme zur Verbesserung des Schwingungskomforts unter Berücksichtigung der Aspekte „Leichtbau“ und „vibroakustisches Verhalten des Gesamtfahrzeugs“ ermöglicht.
Das vibroakustische Verhalten der Systeme wird in den Submodellen des Werkzeuges abhängig vom Anwendungsfall mittels analytischer Gleichungen, numerischer Modelle oder experimenteller Daten beschrieben. Es werden die Methoden zur Erfassung und Aufbereitung der experimentellen Daten präsentiert, die zur Parametrierung der Submodelle eingesetzt werden. Auf Basis dieser Daten werden außerdem die Systeme validiert, die mit Hilfe des Simulationswerkzeuges entwickelt und exemplarisch in einem Demonstratorfahrzeug erprobt werden.
Numerische Optimierung aktiver und passiver Systeme zur Schwingungsreduktion
M.Sc. Christopher Ranisch, Fraunhofer LBF Download (.pdf)
Immer komplexer werdende Systemstrukturen in der Schwingungstechnik ermöglichen nur bedingt den Einsatz konventioneller Methoden zur Optimierung der Systemeigenschaften.
Metaheuristische Optimierungsverfahren (z.B. Genetische Algorithmen) erweisen sich hier als robuste und zielführende Alternative zur Optimierung stark interagierender Systeme und Komponenten. Es werden die theoretischen Grundlagen zur Optimierung mittels evolutionärer Algorithmen erläutert und das Potential an zwei praxisrelevanten Beispielen aus dem Automotive-Sektor aufgezeigt.
Implementierung eines aktiven Motorlagers und Kopplung mit einem Gesamtfahrzeug-Strukturmodell zur Simulation des NVH-Verhaltens
M.Sc. Andreas-Josef Grimm, Daimler AG Download (.pdf)
Die Kundenerwartungen bezüglich des NVH-Verhaltens von Fahrzeugen steigen stetig. Gleichzeitig steigen die Schwingungsanregungen der Verbrennungsmotoren durch unterschiedliche Verbrauchsoptimierungen. Auch Leichtbau-Maßnahmen wirken sich in der Regel nachteilig auf das NVH-Verhalten der Fahrzeuge aus. Eine Möglichkeit zur Entschärfung dieser Zielkonflikte bietet ein aktives Motorlager (AEM). Um bereits in der frühen digitalen Entwicklungsphase eine fundierte Prognose der Wirkung eines AEM abgeben zu können, muss dieses System simuliert werden.
In diesem Beitrag wird eine modulare Implementierung des AEM vorgestellt und mit einem Gesamtfahrzeug-Strukturmodell gekoppelt.
Anwendung der energiebasierten Finite-Elemente-Methode im Bereich der Fahrzeugakustik zur Prognose akustischer Größen
M.Sc. Henning Lohmann, Novicos GmbH Download (.pdf)
Die energiebasierte Finite-Elemente-Methode (EFEM) eignet sich durch eine vereinfachte Beschreibung der Schallausbreitung zur Berechnung von Körper- und Luftschall im hohen Frequenzbereich. Im Vergleich zu klassischen Methoden, wie der Finite-Elemente-Methode (FEM), wird insbesondere durch die Reduktion der Systemgröße die Berechnung eines gesamten Fahrzeuges im Frequenzbereich von über 1kHz auch auf herkömmlichen Rechnern möglich.
Neben den theoretischen Grundlagen der Methode wird in diesem Beitrag sowohl die Anwendung auf Fahrzeugkomponenten als auch auf eine Gesamtfahrzeugstruktur vorgestellt. Eine Erweiterung der EFEM stellt die Anwendung auf transiente Probleme dar. Durch die Anpassung der Grundgleichung und Verwendung eines geeigneten Lösungsverfahrens ist es möglich den Schalldruck auch für zeitlich variierende oder begrenzte Energieeinträge in das System zu prognostizieren.
Aktormodellierung und -reduktion im Rahmen von LeichtFahr
Hermann Landes, Martin Meiler und Jens Grabinger, SIMetris GmbH Download (.pdf)
In diesem Vortrag werden die von SIMetris im Forschungsprojekt LeichtFahr entwickelten Methoden zur Aktorsimulation vorgestellt. Dabei werden sowohl magneto-mechanische als auch piezoelektrische Wandler betrachtet, die bei aktiven Motorlagern respektive der aktiven Schwingungsdämpfung im Getriebe- und Fahrwerksbereich zum Einsatz kommen.
Für den Einsatz in der Systemsimulation wurden sowohl modale als auch nicht-modale, Krylov-Raum basierte, Reduktionsverfahren implementiert. Die reduzierten Modelle können über eine FMI/FMU Schnittstelle an die geregelte Systemsimulation in AdaptroSim angebunden werden. Die Einsatzmöglichkeit der entwickelten Methoden wird anhand von Beispielen demonstriert.
Workshop: Systemsimulation mit aktiven Komponenten – Methoden und Techniken für die Modellierung und Simulation von Schwingungen in Fahrzeugen
M.Sc. Christopher Ranisch, M.Sc. Valentin Mees, Fraunhofer LBF und M.Sc. Andreas-Josef Grimm, Daimler AG
- Aufbau eines Systemmodells für die Simulation von Fahrzeugschwingungen
- 3D-FE-Modelle in der Systemsimulation
- Einleitung von Lasten und Starten der Simulation
- Simulation aktiver Maßnahmen mit Sensorik, Regelung und Aktorik
- Bewertung und Optimierung des vibroakustischen Fahrzeugverhaltens
- Numerische Optimierung durch gradientenbasierte und stochastische Optimierungsverfahren
Veranstaltungsort:
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
Bartningstr. 47
64289 Darmstadt
Kontakt für Rückfragen:
Georg Stoll, M.Sc.
Email: georg.stoll@lbf.fraunhofer.de
Telefon: +49 6151 705-8528